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Der Künstler Reinhard Fritz neben einem frühen Aquarell mit dem Titel „Pflanzenkeimlinge“ aus dem Jahr 1980. (Foto: Dorothee L. Schaefer)

Erfrischend für Auge, Geist und Seele

Aquarelle von Reinhard Fritz in der Kleinen Galerie in Bad Waldsee Schwäbische Zeitung vom 07.05.2017 von Dorothee L. Schaefer

Bad Waldsee sz Mal keine übliche Laudatio, sondern eine etwas andere Vernissage hatten sich Axel Otterbach und Reinhard Fritz für die neue Aquarellausstellung in der Kleinen Galerie in Bad Waldsee ausgedacht. Der rede- und musikbegabte Künstler leitete die Anwesenden mit Flötenspiel in den angrenzenden Vortragsraum und wusste die Zuhörer aus nah und fern mit einem informativen und anregenden Einblick in seine Arbeit fesseln.

Reinhard Fritz, 1946 in Mecklenburg geboren und als Flüchtlingskind in Tuttlingen aufgewachsen, ausgebildet an der Akademie der Bildenden Künste in München und seit 1975 freischaffend von dort aus tätig, ist ein der Welt zugewandter Gemütsmensch. Aber dass er gerne über seine Arbeit rede, so erzählt er freimütig im Gespräch, das sei erst mit seiner Arbeit als Vorstandsmitglied der Neuen Gruppe vom Haus der Kunst in München, dem er 1996 bis 2011 angehörte, und durch die vielen Gespräche mit Kunstinteressierten oder Presseleuten gekommen. Als wortkarg kann man sich ihn überhaupt nicht vorstellen, wenn man selbst erlebt, wie er nach der Begrüßung durch Axel Otterbach, der den alten Kontakt zu Fritz über Facebook wiederaufgenommen hatte, mit Schwung auf über 40 Jahre künstlerisches Schaffen zurückblickt.

So wie er neben seiner Malerei etwa hundert Vorträge in 10 Jahren über zeitgenössische Künstler mit großem Erfolg bewältigt, so spricht er auch hier mit spürbarer Freude und Emotion von den Themen, die ihn beschäftigen und vom „Künstlerglück“, das sich dann einstelle, wenn alles sich zusammen füge. Reisen oder längere Aufenthalte in Paris und in Italien waren auch bei ihm – neben dem persönlichen Glück von Familie und Kindern – wesentliche Katalysatoren seines künstlerischen Werdegangs. Sein Lehrer Raimer Jochims vermittelte ihm ein wichtiges Motto: „Sehen wie Gehen, nicht wie Stehen oder Fahren.“ Ein großartiger Wahlspruch, reduziert und universell zugleich.

Auf den ersten Blick wirken die Arbeiten irritierend: wüsste man nicht, dass es Aquarelle sind, könnte man sie wegen ihrer großen Farbflächen, der zeichenhaften Bildgegenstände, der markanten, raumhaltigen Schatten und wegen des fehlenden Konturs für Lithographien halten, zumal die oft weichen Mischfarben wie beim Druckverfahren übereinander gelegt sind, sich aber immer überschneiden. Manchmal wirken sie auch wie Batiken oder Stoffmalerei.

Im Übrigen malt Fritz auch mit Acryl auf Leinwand und in Großformaten von anderthalb auf zwei Metern; hier sind jedoch kleine Formate ausgestellt. Viele wiederkehrende Motive sind dabei: die Dynamik des Kreiselns, schwingende, sich überschneidende Linien, wüstenhafte und dennoch lebende Natur, eine sich aus dem Liniengeflecht herausschälende Landschaft, die fahlen Keime einer Pflanze in der Erde, Muschelschalen, Seegetier, Fisch- oder Vogelsilhouetten. In der Abstraktion der Materie zu beweglichen Netz- oder Wabenmustern, pastellfarbenen Untergründen, lichthaltigen Farbflächen bilden diese Motive einen Kosmos von anspielungsreichen und flexibel deutbaren Zeichen und besetzen oder zerteilen zugleich behutsam einen vorstellbaren Raum.

Kleine Galerie im Stadthaus Bad Waldsee, bis zum 18. Juni 2017, geöffnet täglich von 10 bis 19 Uhr.


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