
Horst G. Ludwig. Münchner Malerei im 20. Jahrhundert.
Vom Blauen Reiter zu Frisch gestrichen. Hugendubel Verlag München 1997
 WV-Nr: 1983-03
"Le Coq Est Mort", Paris 1983 150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand Museum Ulm (erworben 1984)
 WV-Nr: 1990-02
"Etude mit Schlagschatten" 1990 200 x 270 cm, Acryl auf Leinwand Privatbesitz
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TEXT-ARCHIV
Horst G. Ludwig Münchner Malerei im 20. Jahrhundert.
Vom Blauen Reiter zu Frisch gestrichen. Hugendubel Verlag München 1997
Seite 280 ff: Reinhard Fritz
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ganz anderer Art sind die Werke von Reinhard Fritz, Lindenberg und Petri, da sie sich im Rahmen der Peinture und des Tableaus bewegen. Vergleichbar freilich sind sie in der offenen Gegenständlichkeit und dem assoziativen Umkreisen der Objektwelt.
So sind die Werke von Reinhard Fritz objektgebunden, aber in einem freien und phantasievollen Umgang mit der Welt der Erscheinungen. Sie ist weder Ausgang noch Ziel seines Gestaltungswillens, sondern eher Ergebnis einer Energie, die, von Sichtbarem und Vorstellung gleichermaßen gespeist, zu den fließenden und vibrierenden Kompositionen gelangt. Dabei wirken stimulierend die Vorgaben von Paul Klees psychischen Improvisationen, Bissiers durch Fernost inspirierte Tuschmalereien sowie Jackson Pollocks Action-Painting mit seinen psychographischen Elementen und dem neuen System der Schwerkraft auf den jungen Fritz ein.
Nach einem kurzen Studium in Stuttgart lernte er von 1968 bis 1974 an der Münchner Akademie und begann 1975 intensiv zu malen, zunächst mit Aquarell: „Unter der Weite des griechischen Himmels auf der Insel Euböa schrieb ich freie Zeichen mit Pinsel und Aquarellfarben auf große Papiere … Hinzu kam ein Kompositionswille, der die Fläche rhythmisch gliederte.“ (Zitat aus einem Interview mit Reinhard Fritz in: Ausst.-Kat. Städtische Galerie, Tuttlingen. Reinhard Fritz. Bilder und Aquarell. 1992, s.11.)
Solche Improvisationen ebneten den Weg zu den sich anschließenden Flügelmotiven. Die für Jahre ein Hauptmotiv von Fritz blieben. Er fand zu diesem Gegenstand oder Sujet, nachdem er durch die Abstraktion hindurchgegangen war, oder, anders ausgedrückt, bildeten sich die Flügel aus der informellen Energie, die der Künstler bei sich angesammelt hatte.
„Le Coq Est Mort“ (Abb.) von 1983 ist ein Höhepunkt solcher Flügelbilder, wenn auch hier mit Gestein und niederen Tieren kombiniert. Die kleinen, lanzettartigen Gebilde, ausgespart und partiell auch weiß belassen, sind hier die reduzierten Flügel, die kraftvoll rhythmisiert über das Feld gestreut sind. Bleibt diese Arbeit noch flächengebunden, so führte Fritz später noch Schatten ein, die einerseits Räumlichkeit schaffen, andererseits aber auch die Ambivalenz von Fläche und Tiefe betonen, wodurch sich surreale Wirklichkeiten einstellen. Bei dem Werk „Etüde mit Schlagschatten“ (Abb.) von 1990 ist dieses Prinzip voll ausgeprägt und noch durch einen großen Schatten bereichert, der von außen auf die Bildfläche fällt, so dass der Hinweis auf eine Realität neben der Bildrealität kompositionswirksam wird. Die äußerst differenzierte Peinture, bei der kein Quadratzentimeter einem anderen gleicht, vermittelt sich in dieser Intensität nur vor dem Original!
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