WV-Nr: 2008-02
"Berge und schöne Mühen" 2008
140 x 200 cm, Acryl auf Leinwand




WV-Nr: 1980-04
"Am Ende des Höhenfiugs" 1980
150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand




WV-Nr: 1990-01
"Chateau d´Eau" 1990
150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand
Bayer. Staatsgemäldesammlung, München
(erworben 1992, Dauerleihgabe im
Uni-Klinikum Rechts der Isar, München)
TEXT-ARCHIV

Bilder, bewegte Blätter

Wiederholung und Variation sind das Gestaltungsprinzip
des Münchner Malers Reinhard Fritz

Von Ines Kohl

Landshuter Zeitung – Magazin zum Wochenende vom 3./4. Dezember 2011

Das Atelier in der großen Münchner Altbauwohnung von Reinhard Fritz – "ich wohne da, wo ich auch arbeite" - ist hoch und hell. Wie geschaffen für die Bilder, die dort entstehen. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Aquarelle. Am Anfang, in den 1975er Jahren, hat Reinhard Fritz vor allem Aquarelle gemalt. Unter der griechischen Sonne von Euböa schrieb er freie Zeichen mit Pinsel und Aquarellfarben auf große Bögen. So entstanden Blätter wie Notate, auf denen Musik zu sehen und Sonne zu spüren war. Zuhause, im Münchner Atelier, begann er, die Formen zu bündeln und zu organisieren und fand so zu einem ersten Thema, das sich seither durch sein Werk zieht. Heute noch sind Aquarelle sein Zettelkasten, seine Ideensammlung, die spontan unterwegs und auf Reisen entstehen. Später erst, ab 1979, malt er auf große Leinwände mit Acrylfarben. Er entwickelte für sich eine Technik, mit der es ihm gelingt, die Transparenz des Aquarells, in dem für ihn - der auch Musiker ist - viel Musikalisches mitschwingt, auf große Formate zu übertragen.

Mit stark verdünnten Acrylfarben zu malen, ist sehr schwierig, die flüssige Farbe lässt sich nur schwer kontrollieren. Man muss schnell reagieren, Anregungen des Farbflusses spontan aufnehmen und kanalisieren. Der Maler legt die Leinwände auf den Boden, das macht das Arbeiten leichter. Die transparenten Farbschichten entwickeln delikate Farbklänge, was die ungemeine Lebendigkeit auch größerer Farbflächen auf den Bildern von Reinhard Fritz bewirkt.

Reinhard Fritz, der 1946 in Spornitz/Mecklenburg geboren wurde, an der Freien Kunstschule Stuttgart und an der Akademie der Bildenden Künste in München, unter anderem bei Raimer Jochims, studierte, beschäftigte sich vor dem Staatsexamen vorwiegend mit Musik, spielte Flöte und andere Instrumente mit seinen Musikerfreunden. Erst nachdem er den Schuldienst quittiert hatte, begann er wieder zu malen. Die Musik, die sein zweites Standbein ist - Reinhard Fritz gibt mit seiner Solo-Renaissanceflöte regelmäßig Flötenkonzerte mit eigener Musik - , spielt auch bei seiner Malerei eine große Rolle. Man spürt es sofort auf den Bildern, die eigentlich immer den Rhythmus von Farbklängen haben, bei denen die Formen - Wolken, Federn, Flügel - in einem flachen Farbraum organisiert, gebündelt, gehäufelt, in Zeilen gebracht oder in geometrischen Feldern geordnet werden.

Diese Choreographien organisieren sich und fliegen wieder auseinander, wie in einem Kaleidoskop. "Am Ende des Höhenflugs", ein Bildtitel, der sich auf die Geschichte vom Sturz des Ikarus bezieht, liegen die Federn verstreut, aber gleich ausgerichtet auf dem Boden, sodass sich wieder eine Dynamik ergibt, die von der realen Federform ablenkt. Das Bild hat sich neu sortiert, die Geschichte von Ikarus - realistischer Aufhänger für die Bilderzählung - führt den Betrachter in einen neuen Bildraum.

Mit den Federbildern war ein Keim gelegt. Wiederholung und Variation verschiedener Formen, die sich immer wieder überraschend neu formieren, sind das Prinzip von Reinhard Fritz' Malerei. Auch bei den Bildern, die surrealistische Elemente etwa von Yves Tanguy aufnehmen und variieren, ist diese Tendenz zu einer stets dynamisch gerichteten horeographie der einzelnen Elemente zu finden. Diese Bilder sprühen Funken.

Waren anfangs die bewegten "Zeichen" weiß ausgespart und allein durch die begrenzende Farbe definiert, verselbständigten sie sich im Lauf der Zeit, bekamen Körper und also auch Schatten. Von innen leuchtende Farben, verstärkt durch die spezielle Lasurtechnik, rhythmisierte Abläufe und irreale Räume sind typisch für Reinhard Fritz' Bilder. Auch bei den Arbeiten, auf denen pseudoarchitektonische Formationen, Wabensysteme oder Würfelhäuser zu sehen sind, muss der Betrachter angesichts der irrationalen Perspektiven und Schlagschatten sein eigenes Weltbild überprüfen. Reinhard Fritz wird hier, wie Dr. Andreas Zoller in seinem Buch "Aus der Kunstsammlung der Stadt Donaueschingen" so hübsch schrieb, zum "Eulenspiegel der Malerei", der es geschickt versteht, "den Betrachter an der Nase herumzuführen". Sein Werk sprüht vor Ideen.

Eines der oberflächlich ruhigeren, dabei dennoch reichlich beunruhigenden Bilder ist "Chateau d'Eau" - "Wasserturm". Man sieht auf eine transparent erscheinende reflektierende Wasserfläche, auf der viele kleine, federartige Blättchen tanzen. Sie sind ganz real, jedes einzelne wirft seinen Schatten. Beunruhigend aber ist der große Schatten eines nicht exakt definierbaren architektonischen Gebildes auf stelzenartigem Unterbau, des Wasserturms, der auf die lichte Fläche fällt und eine Räumlichkeit entstehen lässt, die die Wirklichkeit außerhalb der Bildfläche mit einbezieht. Der Schatten dieses Bauwerks drängt sich wie ein Fremdkörper in das Bild, der Künstler lässt den Betrachter im Unklaren über das Verhältnis von Bildwirklichkeit und Realität außerhalb des Bildes.

Dass der Künstler neben seinen Eulenspiegel- und Pan-haften Seiten auch Sinn für lyrische Töne hat, zeigt die stattliche Reihe bibliophiler Künstlerbücher, die er im Lauf der Jahre gestaltet hat. In ihnen beschäftigt er sich mit dem "Liebeszauber" von Theokrit, Gedichten von Alfred Gulden oder Felicitas Frischmuth. Im Sommer dieses Jahres war im Stadtmuseum Weilheim eine Ausstellung mit den neuesten Arbeiten von Reinhard Fritz zu sehen: "DayDreamClouds", entstanden seit 2009, steht in der Nachfolge der ruhigeren, horizontalen Landschaftsformationen. Nach den geometrischen Ordnungen gehorchenden Horizonten und ergformationen folgen die "DayDreamClouds" wie eine Gegenreaktion. Lockere Wolkenformationen flottieren frei schwebend im luftleeren Raum und formieren sich wie Schwärme von Fischen oder Vögeln zu durchlässigen Farbsymphonien.

Reinhard Fritz, der Paul Klee und Julius Bissier, Henry Micheaux, Henry Matisse und Claude Monet zu seinen Vorbildern zählt, hat eine Bildwelt geschaffen, die bei aller quirligen Bewegtheit und changierenden Farbigkeit dennoch Kontemplation zulässt. Man muss sich nur in sie hinein versenken. Dann wirken sie - unglaublich - beruhigend.


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